Jugendbereich

Die Angebote für Jugendliche im außersportlichen Bereich haben bei den Sportfreunden Sennestadt schon immer einen hohen Stellenwert gehabt. Derzeit ist aktuell:

  • Das LUNA als Zentrum für Freizeit, Spiel und Begegnung
  • Der Jugendausschuss, in dem sich die Jugend abteilungsübergreifend selbst organisiert.

Aus "Haus der Jugend" und Jugendkotten wird LUNA - 43 Jahre offene Jugendarbeit

Wenn heute Eltern ihre Sprösslinge zum Töpferkurs ins LUNA bringen, kommen einige beim Anblick der reichowschen Architektur ins Schwärmen über die Diskoveranstaltungen, zu denen sich Generationen von Teenies herausgeputzt haben. Dabei hatten Eltern es gar nicht leicht Ende der 60er Jahre: Nicht nur, dass sie die üblichen Symptome ihrer pubertierenden Kinder ertragen mussten, viel zu lange Haare und viel zu kurze Miniröcke. Der durch die Studentenrevolte ausgelöste „Generationskonflikt“ – „Trau keinem über dreißig!“– grub tiefe Gräben durch alle Gruppierungen der Gesellschaft.


Die Zeiten waren bewegt: Der Studentenrevolte folgten Schüler-, und Frauenbewegung und sogar eine Jugendzentrumsbewegung. Die nistete sich allerorten in Baracken und abrissreifen Fabriken ein, hielt auf ausrangierten Spießersofas „Sit Ins“ ab. Nicht so in Sennestadt! Schon 1966 legte man den Grundstein für ein Jugendzentrum mitten in die Reißbrettstadt. Am 18.11.67 wurde es eröffnet, alles vom Feinsten inklusive Aula, Mädchennähraum, Stadtbiblothek und Milchbar.


„Was kann ich hier allein tun?“ zitiert das Westfalen-Blatt den Heimleiter Manfred Hescher. Allein sollte er nicht bleiben, die ersten Programme zeugen von einer regen Beteiligung des Jugendrings – „nicht gegeneinander, sondern miteinander“ wolle man zum Wohle der Jugend arbeiten; die Philatelisten laden zum Briefmarkentausch, und die Sportfreunde präsentieren Sportprominenz zwecks „Begegnung zwischen Jugend und Idol“. Auf der HdJ-Bühne geben sich Kabarettisten und Beatbands die Klinke in die Hand. Der Laden brummt derart, dass die letzten Skeptiker verstummen. Die Jugendverbände laden zum Tanzvergnügen, zur „Diskothek“ die Falken, zum „Minithek-Hit-Dancing“ die Gewerkschaft, die Sportjugend gar zu „Beat International“. Es sollte aber nicht beim „unverbindlichen Konsumieren“ bleiben und Hescher richtete sein Kursprogramm an Kinder, „denen mehr an einer Weckung bzw. Befriedigung von Freizeitinteressen durch sinnvolle Hobbyangebote liegt“. (WB 19.1.72)

 

1976 entstand am Huckepackweg ein etwas anderes Jugendzentrum mit erheblich geringerem Budget. Nach zähen Verhandlungen hatte Helmut Niermann, Jugendleiter der Sportfreunde, den Stadtwerken zwei Kotten zur Pacht für die Jugendverbandsarbeit abgerungen. Alsbald fand sich die Zielgruppe ein, nicht nur, um hier ihre Freizeit zu „verchillen“, sondern um sich ein selbst verwaltetes Jugendzentrum zu basteln; die einen mit mehr oder weniger handwerklichen Grundkenntnissen, die anderen mit mehr oder weniger ausgereiften Vorstellungen von einer „fortschittlichen“ Jugendarbeit. Mißtrauisch argwöhnte manch einer eine Haschischhöhle oder schlimmere jugendgefährdende Ausschweifungen hinter den maroden Gemäuern auf idyllischer Lichtung. Der Vorstand um Wilfried Versen aber förderte das soziale Experiment und der sichtbare Erfolg sollte ihm bald Recht geben: Ein Sanitäranbau, ein freistehender Schuppen, neue Dachziegel, renovierte Wände und Decken und sogar eine eigene „Pipeline“ zur Wasserentsorgung war mit viel Enthusiasmus entstanden. Hinzu kam ein reges Angebot maßgeblich für die Jugend der Abteilungen und ihre Freunde. Das beinhaltete Seminare, die thematisch weit über das rein Sportliche hinausgingen; außerschulische Bildung, die sich an den Interessen Jugendlicher orientierte und fürs Leben bildete und durchaus politisierte, beispielsweise gegen Atomkraft oder Raketenstationierung. In AGs wurden sportliche und internationale Begegnungen vorbereitet, hier wurde die vereinseigene Jugendzeitung „Fräsh“ redigiert, und so manche Party abgefeiert. Später kam die legendäre „Blues-Abend“- Reihe hinzu, mit der der Jugend-Kotten sich in die Club-Adressen der Region einreihte und neben der Sportfreundeöffentlichkeit wurde auch die Nachbarschaft mit eigenen Stadtteilfesten und einem regelmäßigen Frühstücksbuffet im „Café au Lait“ integriert und beköstigt.

 

Das alles war in den ersten Jahren in zeit- und bisweilen auch nervenraubender Gremienarbeit entwickelt, beschlossen oder auch wieder verworfen worden. Der Erfolg dieses mit den Jugendlichen gewachsenen Konzepts zeigte sich nicht zuletzt an der Resonanz: Die offenen und außersportlichen Angebote und die Möglichkeit sich in Planungen und Projekte einzubringen trafen das Lebensgefühl vieler Jugendlicher und brachten den Sportfreunden auch neue Mitglieder von unerwarteter Seite. ’82 brachte es ihnen beim Bundestreffen der Sportjugend eine Auszeichnung als „Modellverein“. Und manchen heute namhaften SportfreundInnen brachte es auch Erfahrungen für ihre berufliche Orientierung als spätere Jugendarbeiter ein.


Mit der Professionalisierung der Arbeit im Jugendkotten samt Anerkennung und Bezuschussung als „Kleines Haus der offenen Tür“ kamen neue Besucher, die „Mofarocker“. Viele brachten weniger Engagement und dafür neue Probleme mit. Mit der zweiten hauptamtlichen Stelle waren auch die Kapazitäten für eine offene Kinderarbeit gegeben, die alsbald um das Spielmobil Flummi ergänzt wurde. Aber auch das Selbstverständnis der pädagogischen Akteure hatte sich gewandelt und bezog jetzt zunehmend benachteiligte Kinder und Jugendliche ein. Dafür bedurfte es immer wieder neuer pädagogischer Konzepte, von der mädchenparteilichen Arbeit bis zur Erlebnispädagogik, an deren Entwicklung für Bielefeld sich das Kotten-Team maßgeblich beteiligte.

Das nach ’68 erwachte „politische Bewusstsein“ weckte im H.d.J. Interesse an der „Kultur der Unterdrückten“. Sie eroberte Bühne und Publikum mit Folk-Gruppen wie „Elster Silberflug“ oder „Liederjan“.
Jugendliche tanzten Volkstänze aus aller Herren Länder und sangen Lieder von Bauern- und anderen vergessenen Volksaufständen. So kam die Revolte – 10 Jahre danach – doch noch nach Sennestadt: als hausinterne Kulturrevolution. Weg vom gängigen Mainstream, mit neuen unbekannten KünstlerInnen experimentieren und selbst in die Künstlerrolle schlüpfen, so der Anspruch der „Kaffee Kleinkunst“-Crew. Emsig schufen die Jugendlichen ein kleines Kellerbistro, in dem sie ein ambitioniertes Programm aus Kunstausstellungen, Diskussionen, anspruchsvollen Filmen, alternativer Kleinkunst und zunehmend auch Rockmusik präsentierten. Das „Kaffee Kleinkunst“ entwickelte sich von einer Jugendbühne zum Label für ambitionierte Lifekultur, die zunehmend wieder im großen Saal stattfand und ihr Publikum nicht nur aus Bielefeld rekrutierte.


Das H.d.J. mauserte sich zum Mekka der Ska-Musik und des Rockabilly und die Schmalztollen und Pattycoats reisten aus allen Winkeln der Republik an und verwandelte den Reichowplatz in eine Caddy-Ausstellung, um ihn dann laut Polizeibericht wie ein „Schlachtfeld“ zu hinterlassen. 30 Jahre nach der Eröffnung des H.d.J war das Team auf drei Stellen zusammengekürzt und Sennestadt sollte auf weitere 200.000,- DM im jährlichen Jugendetat verzichten. Spätestens jetzt brach die Diskussion um eine „Überversorgung der Sennestadt mit Jugendzentren“ wieder aus. Damals, als der Jugendkotten begründet wurde, bevölkerten die geburtenstarken Jahrgänge als Jugendliche die Sennestadt. Jetzt wölbten sich die demografischen Kurven bei den älteren Jahrgängen. Nach einer nervenaufreibenden Zitterpartie einigte man sich auf den Erhalt von Matthias-Claudius-Haus und H.d.J und ein Aus für den Jugendkotten. Doch hatten sich die Sportfreunde als Träger einen so guten Namen gemacht, dass man ihnen als Ausgleich die Trägerschaft für das H.d.J. anbot. Schweren Herzens willigten sie ein, wohl ahnend, dass eine Ära zu Ende ging, als das hauptamtliche Kotten-Team ins Zentrum wechselte.

 

Alsbald entstand ein Konzept aus Elementen der sport- und erlebnispädagogischen Jugendarbeit einerseits, einem Kursprogramm und zwei ausgeprägten „offenen Bereichen“ für Kinder und Jugendliche. Dabei wurde Bewährtes aus der „alten Ära“ beider Häuser wieder aufgenommen und weiterentwickelt. Die Übergangsphase fand ihren symbolischen Abschluss mit der feierlichen Umbenennung des Hauses in „LUNA – Zentrum für Freizeit, Spiel und Begegnung“ im Oktober ’98.


Der Jugendkotten blieb den Sportfreunden als Verbandsheim erhalten, das bis heute die soziale Infrastruktur der Sennestadt bereichert. Hier treffen sich nicht nur Abteilungen der Sportfreunde zu pädagogischen Aktionen und geselligen Anlässen; auch Schulen und Vereine der Region mieten sich gern für Seminare, Ausflüge oder Partys im Kotten ein. Und die sommerlichen Ferienspiele finden nach wie vor hier statt.

Im LUNA erwachte mit Kellerkonzerten und internationalen Acts aus der Heavy-Metal-Szene wieder kulturelles Leben. Doch auf Dauer rechnete sich der Musikbetrieb am Stadtrand nicht mehr. Auch die Kleinkunstreihe „BühnenZauber“ – anlässlich des 50. Sennestadtjubiläums aufgelegt – brachte trotz reizvollem Varieté-Ambiente nicht die erhofften Zuschauerzahlen.


Ein kultureller Leckerbissen für die ganze Familie gelang dem LUNA mit seiner Reihe „Frühstücks-Matinee“ mit Spiel- und Bastelangeboten, Buffet und Kindertheater oder Familienshows. Überhaupt orientierte sich das LUNA-Team stark an den Bedürfnissen von Familien, sei es mit phantasievollen Ferienprojekten und Kinderfesten, Hausaufgabenhilfe und Übermittagbetreuung, mit neuen Kursen für Kinder und Eltern oder gar pädagogischen Gesprächsabenden.


Dabei hat die Vernetzung mit anderen pädagogischen Einrichtungen große Bedeutung erlangt. Die Vennhofschule wählte sich 2003 die Sportfreunde als festen Kooperationspartner für die Übermittagsbetreuung ihrer SchülerInnen. So übernahm das LUNA-Team die Ausgestaltung eines offenen SchülerTreffs und diverser Freizeit-AGs in der Vennhofschule und betreute im eigenen Haus verbindlich eine Schülergruppe. Die Beziehungsarbeit ist auch ein methodischer Schwerpunkt im Jugend-Café in den Räumen des ehemaligen „Kaffee-Kleinkunst“. Hier treffen sich Jugendliche mit verschiedenen kulturellen Hintergründen.

 

Zum pädagogsichen Anspruch des LUNA-Teams gehört, diese jungen Menschen als Persönlichkeit bedingungslos anzunehmen und entsprechend ihres Entwicklungsstandes behutsam positiv zu beeinflussen – im Sinne ihrer ureigenen Interessen. Ihre eigenen Interessen verfolgen Jugendliche aber sowieso, besonders wenn es um die Verwirklichung kultureller, geselliger oder freizeitorientierter Vorstellungen geht. Und die sind so unterschiedlich wie die Jugendszenen selbst.

 

Das LUNA bietet ihnen entsprechende Freiräume und stattet sie mit Ressourcen aus. So geschehen mit dem „Beatkeller“, dem „Kraftraum“, dem Computerraum und natürlich auch mit allen multifunktionalen Räumen, ob sie nun für Schülerseminare, Breakdancetraining oder Stufenpartys genutzt werden.


Oder wie jüngst von einer Initiative, die sich nun als „Open Pavillon“ in der ehemaligen Milchbar eingenistet hat, um ihren eigenen Jugendtreff im Jugendzentrum zu realisieren mit Thekendienst, Planungstreffen und eigenständigen Events. Wenn das nicht gewaltig an die wilden Anfangszeiten von Jugendkotten und Kaffee-Kleinkunst erinnert – aber das behalten wir für uns.